Beispiel: <Bio-Tech> statt <Gentechnologie>!?
Ingeborg Woitsch
Aus verschiedenen Beweggründen, aus innerem Empfinden, aus konfessioneller Überzeugung, aus unmittelbar persönlicher Betroffenheit oder aus einer Vorausschau der unabsehbaren Folgen stellt sich derzeit die Mehrheit der Bevölkerung deutlich gegen Manipulationen am Leben. Diese starke Ablehnung von Gentechnologie, insbesondere auch im Lebensmittelbereich, hat die europäische Gentechnik-Industrie dazu bewogen, Burson-Marsteller (B-M), eine weltweit agierende PR-Agentur, einzuschalten. Die amerikanische Werbefirma soll mit ihren Mitteln die Akzeptanz von genmanipulierten Nahrungsmitteln sowie die Befürwortung von Gentechnologie an sich in Europa durchsetzen. Erstmals zum Einsatz kam die Burson-Marsteller-Werbestrategie in der Vorbereitung zum <First European Bioindustry Congress> in Amsterdam 1997, veranstaltet von EuropaBio,1 dem Dachverband der europäischen Gentechnik-Industrie, dem unter anderem Bayer, Hoechst, Monsanto, Hoffmann-La Roche oder Lebensmittelkonzerne wie Nestlé, Unilever und Danone angehören.
Jüngste Aktivitäten konnte Burson-Marsteller im Hintergrund der Wahlkämpfe um die Volksabstimmung für Genschutz in der Schweiz, die am 7. Juni mit 66,6% Gegenstimmen veworfen wurde, entfalten. Hier wurde beispielsweise die <Genschutz-Initiative> von ihren Gegnern, das sind Verbände wie Gensuisse und Interpharma, unter Beratung von B-M kurzerhand in <Genverbots-Initiative> umbenannt. Tatsächlich wäre ein Grossteil der Schweizer Bio-Medizin-Forschung von den von der Genschutz-Initiative geforderten Bestimmungen betroffen gewesen. Denn <verbieten> wollte man die Herstellung, den Erwerb und die Weitergabe transgener Tiere. Patente auf genveränderte Pflanzen und Tiere und deren Bestandteile hätten nicht mehr erteilt werden dürfen. Jede Freisetzung von genveränderten Pflanzen wäre verboten worden. Der Schreck hielt sich allerdings in Grenzen. Christophe Lambs, Pressesprecher beim Schweizer Biotech-Unternehmen Ares Serrono, gab kund: «Wir würden unsere Labors wohl nach Frankreich verlegen - ein paar Kilometer hinter die Schweizer Grenze.» Auch die Frage nach Patentvergabe blieb für Multis relativ unerheblich, da Patentrechte für die EU im Europäischen Patentamt in München vergeben werden. Schätzungsweise 5 Millionen Franken standen der Schweizer <Genschutz-Initiative> für den Wahlkampf zu Verfügung. 35 Millionen dagegen konnte die Chemie- und Lebensmittelindustrie für ihre Publicity-Kampagnen investieren, um in aufwendigen Anzeigen für den <Sieg der Genforschung über Krebs, Alzheimer und Rinderwahn> zu werben.
Präsentation ersetzt die Wirklichkeit
Es zeigt in sich eine erschreckende Stimmigkeit, dass der gentechnische Vorstoss zur Bemächtigung der physischen Grundlagen des Lebens eben genau ein millionenschwer zu bezahlendes Know-how zur Manipulation der Grundlagen der Bewusstseinsbildung zu Hilfe ruft. <Perceptions are real> (Wahrnehmungen sind Wirklichkeit) lautet das Motto von Burson Marsteller, einzusehen in der Firmen-Homepage im Internet. 2 Diese <Wahrnehmungen> allerdings sollen den Blick auf die Realität verstellen. Denn hier wird die <Darstellung der Wirklichkeit> zur Wirklichkeit erklärt. <Presentations are real> müsste diese Leitlinie in Wahrheit heissen. Insbesondere handelt es sich um den Versuch von sprachlich-emotional stimulierter Realitäts-Konstruktion. «Perceptions are real. They color what we see ... what we believe ... how we behave. They can be managed ... to motivate behavior ... to create positive business results.» (Wahrnehmungen sind wirklich. Sie färben das, was wir sehen ... was wir glauben ... wie wir uns verhalten. Sie können gelenkt werden ... ein Verhalten zu bewirken ... gute Geschäftsergebnisse hervorzubringen.) Alles kommt darauf an, so ist es zu verstehen, wie man eine Sache zu sehen bekommt.
In einem internen Strategie-Papier, von B-M für EuropaBio entwickelt, das durch Greenpeace an die Öffentlichkeit gelangte, 3 werden vier Prinzipien genannt, wie derzeit die öffentliche Einstellung gegenüber genmanipulierten Nahrungsmitteln zugunsten der Gentech-Lobby manipuliert werden soll:
Stay off the killing fields: So sollen von seiten der Industrie Reizthemen (killing fields) vermieden werden. Sogenannte <Risikodiskussionen> beispielsweise über ökologische oder gesundheitliche Gefahren der Gentechnologie werden nicht geführt.
Create positive perceptions: Über die Medien sollen die positiven, nutzbringenden Eigenschaften von genmanipulierten Produkten herausgestellt werden, beispielsweise ökologische Vorzüge oder die Schaffung von Arbeitsplätzen. Der Vorteil der Produkte, nicht die Diskussion um die Technologie selbst ist in den Vordergrund zu stellen. Das <Erzeugen positiver Wahrnehmung> hängt natürlich von entsprechendem Sprachgebrauch ab. So wird folgendes GenTech-Vokabular empfohlen: Statt klonen - Züchtung von Mehrlingen; statt genmanipuliert - gentechnisch verändert; statt Gentechnologie - Biotechnologie. Durch Gentechnologie also werden in dieser sprachstrategischen Darstellung <Ernteerträge umweltschonend gesichert>, <landwirtschaftliche Anbauflächen erweitert>, <ungünstige Standorte nutzbar gemacht>. Experten heissen besser <Fachleute>, und Konzerne sind mit der Bezeichnung <Unternehmen> freundlicher aufzunehmen.
Fight fire with fire: Das heisst, der eigentliche Kampf wird auf der emotionalen Ebene geführt, und hier also wird dieses <Feuer mit Feuer bekämpft>. Kritiker(innen) sollen dadurch diskreditiert werden, dass ihre Ablehnung der Gentechnologie auf eine rein emotionale Ebene, zum Beispiel auf Angst, reduziert wird. Im Zusammenhang mit Gentechnologie sollen nun positive Gefühle wie Hoffnung, Fürsorge, Zukunftsmut aufgerufen werden. Zu diesem Zweck werden verstärkt Symbole eingesetzt, da sie nicht die Logik, sondern eben die Gefühlswelt des Menschen ansprechen.
Create service-based media relations: Burson-Marsteller entwickelt für seine Kunden, hier zum Beispiel für den Dachverband der europäischen Gentech-Industrie, folgende Strategie: «EuropaBio muss für die Journalisten zur besten und verlässlichstenQuelle von biotechnologischen/bioindustriellen Inspirationen und Informationen werden - ihre Anlaufstelle in erster Stunde, wo man ihnen keine Industriepropaganda auftischt, sondern sie zur Freude ihrer Redaktoren mit praktischen, fristgerechten Hinweisen auf genau die Geschichten und Persönlichkeiten sogar aus dem gegnerischen Lager - hinweist, die für ihre Leser, ihr Publikum von Bedeutung sind.» Über solch einen Medien-Service soll die Presse mit gezielter Information, vor allem auch «guten Geschichten» («stories - not issues»: Geschichten - nicht Sachverhalte) versorgt werden. Industrie und Handel werden dazu angehalten, keine eigenen Statements zum Thema Gentechnologie zu veröffentlichen, sondern alles über den Media-Service fliessen zu lassen, - was faktisch eine Monopolisierung von Information bedeutet.
Beispiele der Täuschung - Beispiel BSE: In Deutschland arbeitet Burson-Marsteller seit Jahren zum Thema BSE. Den Auftrag dafür erhielt die Agentur von der englischen Meat and Livestock Commission (MLC). MLC, von der britischen Regierung gegründet, hat zur Aufgabe - im Zeitalter von BSE -, das Marketing der britischen Fleischproduktion zu <optimieren>. Dieses Ziel wird mittels Marktinformation und wissenschaftlicher Veröffentlichungen für Fachkreise und Verbraucher unter Beratung von B-M verfolgt. - Beispiel Osttimor (Indonesien): Ende 1991 wurde B-M von der indonesischen Regierung angeworben. Die Firma sollte den Imageschaden von Präsident Suharto abwenden, der ihm aussenpolitisch drohte, nachdem seine Militärs in Dili ein Massaker angerichtet hatten. Indonesien hatte Osttimor 1975 besetzt. Amnesty International erklärte: «Seit der Invasion sind ca. 200 000 Osttimoresen, ein Drittel der ursprünglichen Bevölkerung, ums Leben gekommen, verschwunden oder Folterungen zum Opfer gefallen ...» Ende 1996 wurde B-M von Regierungsseite abermals engagiert, als die Führer der osttimoresischen Opposition, Jose Ramos-Horta und Bischof Carlos Belo, den Friedensnobelpreis erhielten und das Suharto-Regime jetzt für die Verbrechen in Osttimor weltweit kritisiert wurde. - Beispiel Bhopal (Indien): Bei einem Chemie-Unfall in der Produktionsanlage der amerikanischen Union Carbide 1984 starben schätzungsweise 2000 Menschen, 200 000 wurden verletzt. Nach der Katastrophe fand sich die Carbide-Führung mit Mitarbeitern von Burson-Marsteller zusammen, um ein Konzept für die folgende PR-Strategie zu erarbeiten. - Beispiel Gentech-Soja (Europa): Der Export der von Monsanto gentechnisch manipulierten Sojabohne wird im Herbst 1996 von der europäischen Öffentlichkeit heftig diskutiert. Unter Beratung von Burson-Marsteller richtet Monsanto daraufhin in Deutschland und anderen europäischen Staaten das <Informationsbüro Sojabohne> ein, das mittlenveile <Informationsbüro Biotechnologie> heisst. |
Die Firma Burson-Marsteller ist Teil des amerikanischen Young & Rubicam-Werbekonzerns, des drittgrössten Konzerns dieser Branche in den USA. Innerhalb des Konzerns hat sich B-M auf die weltweite «Krisenkommunikation für Industrie und Politik» spezialisiert. B-M agiert in über dreissig Ländern und ist für eine aggressive Werbestrategie bei politisch brisanten Fällen bekannt geworden. Image-Strategien für Industrien sowie Politiker bietet Burson-Marsteller seinen Kunden, das sind unter anderem autoritäre Regime, Chemiemultis und britische Rindfleisch-Exporteure, jeweils als PR-Komplettpaket mit flächendeckender Strategie und Zeitplanung.
Die Verstellung der Wirklichkeit-durch manipulierenden Sprachgebrauch zielt natürlich auch auf die Jugend, die künftigen Verbraucher, ab. Ein vom Schweizer Nationalfonds und von Nestlé, Monsanto, Roche und Novartis finanzierter Comic-Band: <Kleine Reise durch die Biotechnologie>, der gratis in den Schulen verteilt wird, lässt einen kleinen Biotech-Helden in manipuliertem Vokabular die Zukunftsforschung preisen.
Es ist ein massives Vorgehen, und es sind subtil wirkende, aber letztlich doch primitive Mittel der Täuschung, die hier angewandt werden und denen durch eine konsequente Pflege der Sinne, durch liebende Verantwortung gegenüber dem Wort und durch die Kraft eines klaren Denkens entwaffnend begegnet werden kann!
1. European Association for Bioindustnes (EuropaBio) mit Sitz in Brüssel.
2. http://www.bm.com
3. Information: Gentechnik Kampagne bei Greenpeace e.V., D22745 Hamburg, Tel. +49/40/30618-386.
Quelle: Das Goetheanum - Wochenschrift für Anthroposophie, Nr. 30, 26. Juli 1998, 77. Jahrgang, s.441-443. Abonnentenverwaltung: Helga Otto, Wochenschrift 'Das Goetheanum', Postfach, CH-4143 Dornach, Schweiz. Telefon +41 61 706 4464. Fax: 706 4465. email wochenschrift@goetheanum.ch.